Bei der Alkoholsucht handelt es sich um eine stoffgebundene Sucht, da etwas konsumiert wird.

Die Alkoholsucht wird nach Jellinek in verschiedene Krankheitstypen unterschieden. Hierbei sollte man beachten, dass es sich häufig bei den Betroffenen um Mischtypen handelt.

  • Die erste Form stellt dabei den „Alphatrinker“ dar. Dieser versucht mit Hilfe des Alkohols seine Probleme zu lösen. Man nennt sie daher auch „Erleichterungstrinker“. Die Betroffenen können jedoch ihren Alkoholkonsum kontrollieren.
  • Bei den „Betatrinkern“ handelt es sich um den gelegentlichen Konsum ohne Abhängigkeit von Alkohol. Bei den Betroffenen treten vor allem Folgeerscheinungen des Alkoholkonsums auf. Das können u.a. Leberschäden, Pankreatitis oder Gastritis sein.
  • Der „Gammatrinker“ ist seelisch und körperlich vom Alkohol abhängig. Er hat über seinen Alkoholkonsum keine Kontrolle mehr.
  • Eine weitere Form ist der „Deltatrinker“ oder „Spiegeltrinker“. Das heißt, der Betroffene benötigt stetig einen gewissen Alkoholpegel. „Deltatrinker“ können ihren Konsum lange unter Kontrolle halten. Hierbei handelt es sich um eine schleichende Dauerintoxikation.
  • Die letzte Form ist der „Epsilontrinker“, welcher auch als „Quartalsäufer“ bezeichnet wird. Dieser trinkt nach wochenlanger Abstinenz völlig unkontrolliert.

Der Ablauf der Sucht kann nach Jellineck ebenfalls in verschiedene Phasen eingeteilt werden.

Die „Prä-alkoholische Phase“ tritt gesellschaftlich bedingt auf, da ein hoher Anteil der Bevölkerung innerhalb vieler Aktivitäten zu alkoholischen Getränken greift, sei es beim Fernsehen, bei Gesellschaftsspielen oder auch bei Festen. Für den Betroffenen stellt der Alkohol nicht ein alleiniges Genussmittel dar, sondern wird zur seelischen und sozialen Anpassung benötigt. Hierbei bewirkt der Alkohol Erleichterung, Probleme werden bei Seite geschoben und es ermöglicht das Gefühl, sich stark zu fühlen. Der Betroffene geht davon aus, dass die Entspannung nicht vom Alkoholgenuss herrührt, sondern durch die gegenwärtige Situation, wie z.B. der angenehmen Gesellschaft in der er sich befindet oder durch das „Event“ an sich, zustande gekommen ist. Im zeitlichen Verlauf sinkt die Toleranz für seelische Belastungen, sodass aus Gelegenheit täglicher Konsum wird. Gleichzeitig steigt die Menge an Alkohol, um die gewünschte Wirkung wie zuvor zu erreichen.

Die „Prodromalphase“ ist durch die sogenannten „Filmrisse“ bzw. Amnesien gekennzeichnet. Der Betroffene trinkt nunmehr weniger in Gesellschaft, sondern zunehmend allein und er beginnt den Alkohol zu verstecken, um nicht negativ aufzufallen. Innerhalb von Partnerschaften wird der Alkohol oftmals so versteckt, dass der jeweilige Partner das Verhalten noch zur Kenntnis nehmen kann. Das zielt darauf ab, diesen zum Komplizen (Mitwisser) zu machen. Diese Phase ist durch das andauernde Denken an den Alkohol gekennzeichnet.

Darauf folgt die „Kritische Phase“. Hier liegt ein kompletter Kontrollverlust vor. Es besteht zwar die Fähigkeit einer kurzen Abstinenz, jedoch ist der Betroffene nicht mehr in der Lage nach dem ersten Schluck Alkohol aufzuhören, sondern er kann sein Verlangen dann nicht mehr kontrollieren und betrinkt sich dann maßlos. Die bestehende Abhängigkeit wird verdrängt. Der Betroffene gibt häufige Erklärungsversuche, Begründungen und Ausreden für sein Trinken an, was gleichzeitig eine Abwehr gegen soziale Belastungen darstellt. Daraus resultieren Konflikte im direkten sozialen Umfeld, vor allem, wenn vorhanden, innerhalb der Familie. Das Resultat dessen ist die psychosoziale Isolation, wobei der Betroffene die Ursachen und Fehlverhalten der Anderen sucht. Durch das bestehende geminderte Selbstwertgefühl kann es zur Depressionen kommen. Gleichzeitig versucht der Betroffene sein gemindertes Selbst durch großspuriges Verhalten und Aggressivität zu kompensieren. Des Weiteren kommt es außer der sozialen Isolation zur physischen Abhängigkeit und deren Folgen. Durch egoistisches Verhalten, da der Betroffene sein Leben nach dem Alkohol und Stimmungsschwankungen ausrichtet, weist der Betroffene eine Wesensveränderung auf.

Innerhalb der letzten Phase, der „Chronischen Phase“, trinkt der Betroffene stetig. Dabei sinkt die Alkoholtoleranz zwar, aber er benötigt immer einen gewissen Pegel an Alkohol. In dieser Phase kann es zum Delirium, zu epileptischen Anfällen, Halluzinationen und zur Alkoholpsychosen kommen.

Die Folgen der Alkoholabhängigkeit betreffen sämtliche Lebensbereiche des Betroffenen. Es kommt zu physischen Folgen, wie der Schädigung innerer Organe, beispielsweise der Leber, der Pankreas, des Magens sowie zu Herz- und Hirnschädigungen. Es treten soziale und berufliche Schwierigkeiten auf. Innerhalb der Familie oder Partnerschaft kommt es trotz der Wesensveränderung des Betroffenen häufig zu verteidigendem Verhalten. Dadurch kann eine „Co-Abhängigkeit“ entstehen. Die beruflichen Schwierigkeiten treten vor allem bei anhaltendem Konsum durch den enormen Leistungsabfall auf. Es kann zu einem vermehrten Arbeitsausfall kommen und die beruflichen Kontakte schränken sich durch die Isolation ein. Auf Grund dessen können häufige Arbeitsstellenwechsel vorliegen. Daraus resultieren dann oft auch finanzielle Probleme.

Zu den schwerwiegendsten Folgen zählen die psychischen Veränderungen. Häufig kommt es zu Störungen der Gedächtnisleistungen bezüglich des Lang- und Kurzzeitgedächtnisses. Oftmals werden die entstanden Lücken mit Erfundenem gefüllt. Sie sind kaum in der Lage, Neues zu erfassen und sich zu merken.

Des Weiteren bestehen Defizite in der Konzentration und Aufmerksamkeit, des Antriebs (allgemeine Verlangsamung) sowie in der Eigen- und Fremdwahrnehmung. Das Gefühlsleben verändert sich und es kommt fortschreitend zur Enthemmung und aggressiven Handlungen. Außerdem können neben einer Depression auch Wahnideen, Halluzinationen und Verwirrtheitszustände auftreten.

Bagatellisieren, Beschönigen, Verleugnen des Betroffenen bezüglich seines Konsums dürfen nicht mehr stattfinden. Der Prozess des Eingestehens, dass eine Sucht vorliegt, ist die Voraussetzung, um therapeutisch intervenieren zu können. Die Phase der Sucht ist dabei ausschlaggebend, ob eine Entgiftung stattfinden kann und in welcher Form sie verlaufen soll. Es wird festgestellt, ob und welche Entzugserscheinungen auftreten könnten.

Innerhalb der Diagnostik werden die Entstehungsbedingungen, die hirnorganischen Folgeerkrankungen sowie die möglichen psychischen Grund- und Begleiterkrankungen herausgefiltert und analysiert. Die Entgiftung oder Entwöhnung kann stationär, teilstationär und ambulant stattfinden. Meist findet die Entgiftung auf einer Station statt, wodurch die Entzugssymptome, welche auch lebensbedohlich sein können, mit Medikamenten unter permanenter ärztlicher Aufsicht behandelt werden. Innerhalb der Station oder ambulanten Einrichtungen werden kombinierte Verfahren eingesetzt. Dazu gehören u.a. die Psychotherapie, Entspannungsverfahren, Ergotherapie sowie die kognitive Verhaltenstherapie.

Im Bereich der Psychotherapie soll festgestellt werden, welche Ursachen zur Sucht geführt haben. Der Betroffene soll den Umgang mit Problemen und Schwierigkeiten erlernen und für sich neue Lebensinhalte finden.

Die kognitive Verhaltenstherapie beinhaltet u.a. das Expositionstraining. Im Vordergrund steht hierbei die Ablehnung des Alkohols. Hier kommt es zur Erarbeitung der individuellen Erwartungen. Ziel ist eine kognitive Umstrukturierung, wobei hier u.a. die ABC-Theorie nach Albert Ellis greifen kann (Unterscheidung zwischen der Entstehung und der Aufrechterhaltung eines Problems). Außerdem soll der Betroffene dysfunktionale Gedanken in Problemsituationen erkennen.

Im Bereich der ergotherapeutischen Intervention ist es von Vorteil mit den Betroffenen eher Gruppenarbeiten durchzuführen, da diese zur „Ich-Stärkung“ sowie zur „Ich- Entlastung“ führt. Das bedeutet, dass die Gruppenarbeit bessere Möglichkeiten bietet den Betroffenen zu spiegeln, um die Eigen- und Fremdwahrnehmung zu steigern und es gibt Erfahrungswerte über die Persönlichkeit und den Konflikten. Der Betroffene steht unmittelbar in sozialer Verantwortung. So entsteht die Möglichkeit für ihn, sich in ein soziales Gefüge zu integrieren und abzugrenzen sowie eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und zu lernen, diese auf adäquatem Weg durchzusetzen.

Die einsetzbaren ergotherapeutischen Methoden sind dabei die kompetenzzentrierte Methode innerhalb einer Werkgruppe, die interaktionelle Gruppenarbeit sowie die ausdruckszentrierte Gemeinschafts- oder Projektarbeit.

Im Bereich der kompetenzzentrierten Methode liegen vorwiegend die Schwerpunkte in der Förderung des Antriebs und der kognitiven Funktionen, beispielsweise Konzentration und Ausdauer, Eigenverantwortliches und selbstständiges Arbeiten innerhalb der Arbeitsphase sowie in der Eigenstrukturierung und Handlungsplanung.

Durch das ausdruckszentrierte Arbeiten innerhalb einer Gruppe soll über kreativ-gestalterisches Handeln die Wahrnehmung von Erlebnisqualitäten geschult werden. Hierbei sollen auch Wünsche und Gefühle nonverbal zum Ausdruck gebracht werden. Das heißt, dass der Betroffene sich mit den Inhalten seines Gefühlslebens auf einer anderen Ebene auseinandersetzt, um sich dieser Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu werden und zu erlernen, wie er mit diesen umzugehen hat. Wichtig hierbei ist, dass dem Betroffenen immer die Möglichkeit eines Gespräches bzw. der Reflexion gegeben wird. Es sollte dem Einzelnen aber frei gestellt werden, ob er diese Möglichkeit wahrnimmt. Der Patient sollte für diese Methode aber nicht psychotisch sein und keine Wahnideen haben.

Innerhalb der interaktionellen Methode stehen die sozialen Kompetenzen, wie die Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit im Vordergrund. Die Themen werden so gewählt, dass der Therapeut den Prozess hauptsächlich begleitet, sodass Absprachen innerhalb der Gruppe getroffen werden müssen. Der Einzelne muss seine Position in der Gruppe finden und vertreten, gleichzeitig aber auf die Bedürfnisse der anderen Mitglieder Rücksicht nehmen. Während der Zusammenarbeit entstehen häufig Konflikte und Meinungsverschiedenheiten. Somit wird die Konflikt- und Kompromissfähigkeit geschult. Das bedeutet, die einzelnen Situationen müssen gelöst und ausgehalten werden. Des Weiteren werden die Unterschiede zwischen der Eigen- und Fremdwahrnehmung deutlich.

Die Suchterkrankung bleibt ein Leben lang bestehen, auch wenn der Betroffene abstinent ist.

Mit freundlichen Grüßen | Anja Willmann | Dr. Frank & Partner Berlin