Die propriozeptive Wahrnehmung wird auch als kinästhetische Wahrnehmung oder als Tiefensensibilität bezeichnet. Das Wort „Propriozeption“ kommt aus dem Lateinischen (proprius „eigen“ und recipere „aufnehmen“), übersetzt heißt das Eigenwahrnehmung. Das propriozeptive System hat im Gegensatz zu den anderen Wahrnehmungssystemen kein eindeutig lokalisierbares Sinnesorgan.
Die Rezeptoren der propriozeptiven Wahrnehmung nennt man Propriozeptoren und liegen über den ganzen Körper verteilt z.B. in den Sehnen, Bändern, Muskeln und Gelenkkapseln. Propriozeptive Reize werden aus dem eigenen Körper und nicht wie bei den meisten Sinnessystemen aus der Umwelt mitgeteilt.
Die propriozeptive Wahrnehmung dient dazu, dass wir in der Lage sind, die Bewegungen und die Stellung unserer Gelenke bzw. Gliedmaßen zu bestimmen, ohne dass wir dabei auf unsere visuellen Fähigkeiten angewiesen sind. Die propriozeptive Wahrnehmung arbeitet sehr eng mit der taktilen- und der vestibulären Wahrnehmung zusammen und entwickelt sich schon im dritten Schwangerschaftsmonat und gehört so zu den ersten funktionierenden Systemen im Körper.
Die propriozeptive Wahrnehmung lässt sich in vier Teilbereiche unterteilen.
Stellungssinn
Wir sind dadurch in der Lage, auch mit geschlossenen Augen oder im Dunkeln die Lage unserer Körperteile zu erkennen, z.B. können wir mit geschlossenen Augen die Fingerspitze zur Nase führen.
Bewegungssinn
Dieser ermöglicht uns, ohne visuelle Kontrolle sowohl die Geschwindigkeit als auch die Richtung der Bewegung zu bestimmen und wahrzunehmen, z.B. beim „Hampelmann“
Kraftsinn
Er dient der Abschätzung des Ausmaßes der Muskelkraft, die man aufwenden muss, um bestimmte Bewegungen ausführen zu können. Ohne den Kraftsinn würden wir ein Glas einfach mit der Hand zerdrücken, wenn wir es greifen.
Spannungssinn
Gibt Informationen über den Grad der Muskelspannung. Er ist auch dafür verantwortlich, dass wir den Spannungsgrad unserer Muskulatur willentlich beeinflussen können, z.B. beim Purzelbaum willentlich steuern, wann wir Körperteile anspannen oder entspannen.
Bei einer Störung der propriozeptiven Wahrnehmung kann es zu einer ungenauen Information über die Spannung und Lageveränderung der Muskulatur, sowie der Gelenke haben eine unzureichende Eigenwahrnehmung zur Folge. Bei einer Störung der Tiefenwahrnehmung haben die betroffenen Personen kein differenziertes Körpergefühl. Einzelne Körperteile können im Körperschema fehlen. Bei komplexen Tätigkeiten werden die einzelnen Körperteile nicht oder nur nach Aufforderung benutzt.
Das Erlernen komplexer Bewegungsabläufe dauert länger, die Automatisierung von Bewegungen ist erschwert. Ein gezielt gesteuerter Bewegungsablauf und das Dosieren des Krafteinsatzes sind beeinträchtigt. Häufig treten Probleme in der Figur-Grund-Wahrnehmung auf, da die Differenzierung einzelner Reize und ihre unterschiedliche Bedeutsamkeit gestört sind.