Manchen Kindern bereitet das Rechnen großen Spaß. Sie können mit Zahlen gut umgehen und erkennen relativ rasch auch bei abstrakten Rechenaufgaben den geforderten Lösungsweg. Es treten im heutigen Schulalltag jedoch immer wieder Kinder auf, die über ein vermindertes Vorstellungsvermögen im Umgang mit Zahlen verfügen, wo sie jedoch in anderen Schulfächern in der Lage sind, gute Leistungen zu erbringen. In derartigen Fällen könnte eine Dyskalkulie, eine Störung beim Erlernen des Rechnens vorliegen.

TelefonkontaktDie übliche Diagnostik weißt dabei allerdings ausdrücklich darauf hin, dass „die Beeinträchtigung nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärt werden darf.“ Auch erworbene Rechenstörungen (Akalkulie) sowie Defizite im Hör- und Sehvermögen dürfen nicht Ursache der vorliegenden Teilleistungsstörung sein. Nach den Angaben des ICD-10 handelt es sich bei einer diagnostizierten Dyskalkulie also um ein Defizit, das „vor allem die Beherrschung grundlegender Fertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division und weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie oder Differenzial- und Integralrechnungen benötigt werden, betrifft.“

Die Prävalenzrate im deutschsprachigen Raum liegt zwischen 4-7%, wobei Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen (nach Angaben des Arbeitskreises der Legasthenie in Bayern). Viele betroffene Kinder weisen häufig auch andere Lern- und Verhaltensauffälligkeiten auf. Entsprechende Erklärungsansätze für das Auftreten dieser Rechenschwierigkeit zeigen im Rahmen der genetischen Erklärungsansätze eine familiäre Häufung bei Dyskakluie. Im Vergleich dazu führt der kognitive Erklärungsansatz derartige Defizite auf Schwierigkeiten im Erfassen von räumlichen Beziehungen und auf die Merkfähigkeit zurück. Nach den entwicklungspsychologischen Erklärungsansätzen wird hingegen eine schwerwiegende Beeinträchtigung in der Erlangung der numerischen Basiskompetenzen als Ursache gesehen.

Immer wieder erscheint dabei von Seiten der Eltern die Frage:„ Machen Kinder mit Dyskalkulie bestimmte Fehler?“

In der Fachliteratur spricht man hierbei von einer „primären Symptomatik“. Es kommt bei den Betroffenen zu Defizite im Mengenverständnis, die sich im Schätzen, Beurteilen und Überschlagen von Aufgaben, in der Simultanerfassung sowie im Mengenverständnis äußern. Einfache Rechenoperationen bzw. -strategien im Zahlenraum bis 20 und/oder 100 (z.B. Zerlegungstechnik: 16-9 = 16-10+1) bereiten dabei große Schwierigkeiten.

Des Weiteren lassen sich Defizite im Zahlenverständnis, z.B. im dekadisches Stellenwertsystem (z.B. 70 = 7 Z & 0 E), beim Aufsagen der Zahlenreihe, in der Transformation vom Gehörten ins Geschriebene(z.B. 23 vs. 32, dreihundertfünfzig = 30050) beobachten. Aber auch Defizite, wie z.B. Seitigkeitsstörung (z.B. 23+41= 37, 31+42= 37), Probleme beim Fingerrechnen, Willkürliche Verknüpfung von Zahlenangaben in Textaufgaben sowie Verwechseln von Ziffern (6 vs. 9, 12 vs. 21) sind bei den Betroffenen häufig erkennbar.

Im Rahmen der sekundären Symptomatik lässt sich eine Abfolge negativer Erfahrungen bezüglich der schlechten Rechenleistungen erkennen. Diese führen bei den betroffenen Kindern nicht selten zu Motivations- und Interessensverluste im Schulalltag und bestärken durch die daraus resultierenden Misserfolgserfahrungen nicht selten ein negatives Selbstbild.

Therapeutische Handlungsansätze im Rahmen des Rechentrainings finden häufig ihre Verwirklichung in der Ergotherapie. Hier kommt es durch spielerischen Medien zum handlungsbegleitenden Verbalisieren der Rechenwege sowie zur Anwendung strukturierter Mengenbilder usw. Einen wichtigen Beitrag zur adäquaten Förderung bedarf es jedoch auch durch das Verhalten der Umwelt. Es sollte nicht nur ein stetigen Austausch des entsprechenden Fachpersonals mit den Eltern stattfinden, sondern auch die Förderung von positiven Emotionen sollte dabei eine wesentliche Rolle einnehmen.