Damit die Ergotherapie dem Klienten helfen kann, wieder selbstständiger im Leben zu stehen, sollte in allen Arbeitsbereichen des Patienten eine Veränderung erfolgen. Die Veränderung kann in unterschiedlichen Bereichen notwendig sein, etwa im physischen, motorischen oder sensiblen Bereich, aber auch im Bereich des Verhaltens oder der Einstellung gegenüber Situationen. Solche Veränderungen sind möglich durch die Neuroplastizität.

Wir sind seit über 20 Jahren am Markter nachfolgende Artikel gibt zuerst eine Definition und Übersicht der theoretischen Grundlagen der Neuroplastizität. Anschließend folgt eine Verbindung zur Ergotherapie anhand einiger Beispiele aus den Arbeitsbereichen der Pädiatrie. Im nächsten Artikel folgen die Arbeitsbereiche der Neurologie, Psychiatrie, Orthopädie und Geriatrie. Im letzten und 3. Artikel werden die Grenzen sowie eine Schlussfolgerung aufgeführt.

1. Theoretische Grundlagen der Neuroplastizität

Lange Zeit galt das Gehirn nach Abschluss der Kindheit als starr festgelegtes und fix verdrahtetes Organ. Man glaubte, dass Gehirn besitze eine feste Anzahl von Nervenzellen mit unveränderlichen Verbindungen. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse wiesen jedoch nach, dass sich das Gehirn während jeder Lebenszeit gezielt verändern kann. Diesen Vorgang wird als Neuroplastizität beschrieben, also die Anpassungsfähigkeit des Gehirns. Michael Merzenich gilt als Entdecker der Neuroplastizität, was er in einer Untersuchung mit Affen im Jahr 1983 darlegen konnte. Er konnte nachweisen, dass ein sensibler Nerv durch wiederholte Reizung (Training) ein zunehmend größeres Hirnareal bekommt. Damit entsteht ein Lernvorgang und das Gehirn stellt für häufig ausgeführt Tätigkeiten mehr Gewebe zur Verfügung. In einer weiteren Untersuchung durchtrennte er den Affen unter Narkose einen Handnerven. Mit entsprechenden Messungen stellte er fest, dass das Versorgungsgebiet des Nervens von anderen Nerven der Nachbarregion übernommen wird. Vereinfacht lässt sich sagen, dass das Gehirn (Nervenzellen, Synapsen und Hirnareale) mit gezieltem Training verändert werden kann.

Man kann sich den Vorgang der Neuroplastizität metaphorisch wie Straßen vorstellen. Wenn zwei Neurone gleichzeitig feuern, dann feuern sie mit der Zeit stärker und werden leichter erregbar. So baut das Gehirn “Straßen” und bei sehr häufiger Benutzung / Wiederholung werden” Autobahnen” gebaut.

Die theoretischen Grundlagen werden nun anhand des Arbeitsbereiches der Pädiatrie erläutert und vertiefter erklärt.

2. Pädiatrie

Säuglinge besitzen nachweislich ungefähr doppelt so viele Neurone wie Erwachsene. Bis zum 3. Lebensjahr haben sie durchschnittlich 15.000 Verknüpfungen und bis zum 4. Lebensjahr sind etwa die Hälfte der Neurone verloren. Deswegen ist es sehr wichtig, dass Kinder in einer angeregten Umgebung aufwachsen, damit sie viele Erfahrungen sammeln können und entsprechende Verknüpfungen im Gehirn entstehen können. Die anregende Umwelt macht nachweislich “intelligenter”. Die Neuroplastizität bildet somit die Grundlage der kindlichen Entwicklung. Kinder die aufgrund einer Entwicklungsverzögerung in die Ergotherapie kommen, sollen deswegen mit entsprechenden Reizen gefördert werden, damit sie die Erfahrungen sammeln können, welche sie für die Bildung der entsprechenden Verknüpfung benötigen. Wichtig dabei ist, dass das Training freiwillig durchgeführt wird und dem Kind Spaß bereitet, beispielsweise anhand eines Spieles. Denn erzwungenes Training führt nicht zu den gewünschten “Straßen” und “Autobahnen”.

Bei besonders kreativen Kindern, kann die Neuroplastizität aber auch Nachteile mit sich bringen. Denn die Kreativität läuft nicht über “Autobahnen”, sondern über die Möglichkeit anderer Wege und Verknüpfungen. Wenn von einem kreativen Kind nun eine Aufgabe mit vielen Wiederholungen erfordert wird, langweilt sich das Kind. Langeweile (unfreiwilliges Training) baut weniger “Autobahnen” und die Langeweile führt zu kompensatorischem Verhalten wie etwa Bewegungsdrang, welche dann als Hyperaktivität bezeichnet wird. In der Ergotherapie soll das Training dementsprechend so gestaltet werden, dass die Kreativität ausgelebt werden kann und trotzdem die entsprechenden Funktionen trainiert werden können. Ebenso ist ein kognitiver verhaltenstherapeutischer Ansatz zum Umgang mit der Kreativität indiziert, was im Bereich der Psychiatrie detailliert erklärt wird.

Im zweiten Teil des Artikels folgen die Vertiefung der theoretischen Grundlage und Beispiele aus weiteren Arbeitsbereichen der Ergotherapie.

Mit freundlichen Grüßen | Natalie Scheuermeier | Dr. Frank & Partner Zürich