Kennen Sie das? Sie haben Schmerzen, z. B. im Bereich der Bandscheibe und die wollen einfach nicht weggehen. Selbst der Masseur und / oder Physiotherapeut schafft es nicht. An was liegt das? Sind die Schmerzen /Ursachen wirklich so hartnäckig? Sind die Auslöser wirklich dort zu finden, wo Sie den Schmerz lokalisiert haben oder sind diese nicht wo ganz anderes zu finden /suchen? Das ist mein Thema in dieser Serie…
Der muskeloskelettale oder myofasziale Schmerz ist ein allzu häufig auftretendes Problem, das jedoch von der Medizin oft vernachlässigt wird. Es handelt sich um einen häufig auftretenden Zustand, der mit einem erheblichen Maß an Leid einhergeht. Mit meinem heutigen Beitrag möchte ich Ihnen die Auswirkungen der Reflexpunkte im Bereich der Ergotherapie aufzeigen, wobei ich zunächst auf die Neurophysiologie eingehen möchte.
Ziel dieser kurzen, und damit auch etwas oberflächlichen Abhandlung der Neurophysiologie des Schmerzens soll sein, Ihnen einen gewissen Einblick in die erhebliche Komplexität dieses Themas zu gewähren. Sie soll damit als Diskussionsgrundlage für die noch kommenden Beiträge dienen, die sich mit den physiologischen Mechanismen befassen, welche an der Entwicklung eines Triggerpunkt-Schmerzes und an seiner Behandlung durch die Stimulation peripherer Nervenendigungen beteiligt sind.
Da es der Platz nicht erlaubt, die Neurophysiologie des Schmerzes hier ausführlicher zu behandeln, empfehle ich jedem, der Interesse an diesem faszinierenden Thema hat, die Lektüre des bahnbrechenden Werkes von Melzack und Wall „The Challenge of Pain“ (1988 a). Die Konzepte bezüglich der Weiterleitung schmerzhafter Impulse von der Peripherie zum Kortex und bezüglich der verschiedenen physikochemischen Modulationsmechanismen im zentralen Nervensystem wurden durch die Gate-control-Theorie, die erstmals von Melzack und Wall (1965) aufgestellt wurden, tiefgreifend beeinflusst. Obwohl diese Theorie, wie nicht anders zu erwarten, im Laufe der Jahre angesichts neuerer Erkenntnisse überarbeitet werden musste, dient sie dennoch nach wie vor als äußerst wertvolle Hypothese. Liebskind und Paul (1977) äußerten sich in einer Diskussion über die Gründe des momentanen Interesses an der Schmerzforschung folgendermaßen darüber:
„Die größte Bedeutung hatte vielleicht die Aufstellung der Gate-Control-Theorie durch Melzack und Wall im Jahre 1965. Diese Theorie hat sich, wie keine andere zuvor, als außerordentlich heuristisch erwiesen. Nach wie vor gibt sie der Grundlagenforschung und ihren klinischen Anwendung wertvolle Impulse.“
Es erscheint somit notwendig, gerade diese Theorie eingehender zu betrachten; doch um ihre Genialität und Bedeutung erfassen zu können, sollten einige Erläuterungen über das Wesen des Schmerzes und die Teile des zentralen Nervensystems, die an der Schmerzmodulation beteiligt sind, vorangestellt werden.
Das Wesen des Schmerzes
Beim Schmerz handelt es sich nicht um eine einfache sensorische Wahrnehmung, wie etwas beim Sehen oder Hören, da hier emotionale und physikalische Faktoren zusammenspielen.
Die „Internationale Gesellschaft zum Studium des Schmerzes“ hat 1980 den Schmerz folgendermaßen definiert – es handelt sich um „eine unangenehme Empfindung und emotionale Erfahrung, die mit einer aktuellen oder potentiellen Gewebeschädigung einhergeht oder die als solche Schädigung beschrieben wird“ (Merskey, 1979).
Dies ist natürlich von erheblicher praktischer Bedeutung für die Bewertung von Schmerzen und die Wirkung jeglicher therapeutischer Maßnahmen, denn man sollte nicht die Veränderung der Schmerzschwelle, sondern die der Schmerztoleranz messen. Die Schmerztoleranz steht im engen Zusammenhang mit der emotionalen Antwort eines Menschen auf einen schmerzhaften Reiz.
Unter diesem Aspekt ist die Äußerung des holländischen Philosophen Benedict Spinoza (1632-1677) äußerst interessant. Er bezeichnet den Schmerz als „eine lokalisierte Form der Trauer“.
Daraus folgt, dass im Laufe des Lebens eines Menschen die Intensität, mit der Schmerz empfunden wird, abhängig ist von der jeweiligen psychischen Verfassung, vom kulturellen Hintergrund, von ererbten Einflüssen und von der ethnischen Herkunft. In welcher Weise die Wahrnehmung schmerzhafter Reize und die darauf folgende Reaktion von durchgemachten Erfahrungen beeinflusst werden, haben Experimente deutlich gemacht, die an verschiedenen Tieren durchgeführt wurden.
Die Reaktion eines Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt ist zudem von der momentanen Stimmung abhängig – wobei sie durch Angst oder Depression verstärkt wird – und von den Umgebungsbedingungen. Beispielsweise wird eine schwere, in der Hitze des Gefechts zugefügte Verwundung eventuell kaum bemerkt, wogegen eine ähnliche Verletzung, die unter weniger dramatischen Umständen erlitten wird, vermutlich heftigste Schmerzen hervorruft (Beecher, 1959).
Die Intensität der Schmerzempfindung wird durch Ablenkung der Aufmerksamkeit vermindert. Aus diesem Grunde halten manche eine Hintergrundmusik bei der Durchführung schmerzhafter Prozeduren, z. B. beim Zahnarzt für sinnvoll (Gardner und Licklider, 1959).
Dies ist auch der Grund für die Äußerung von Patienten mit chronischen Schmerzen, dass sie den Schmerz als weit weniger beeinträchtigend empfinden, wenn sie sich intensiv einer geistig anspruchsvollen Aufgabe widmen.
Im nächsten Beitrag werde ich näher auf die Reflexpunkte eingehen, seien Sie gespannt…
Mit freundlichen Grüßen | Matthias Krawutschke | Dr. Frank & Partner München