Der 6-jährige Felix wirft wütend seinen Farbstift weg, weil es ihm nicht gelingt nach seinen Vorstellungen ein Männchen zu zeichnen. Kurze Zeit später teilt er weinerlich am Ende der Ergotherapie mit, dass er noch ein Spiel machen möchte. Inzwischen ist die Mama da, Felix zeigt deutliche Gefühle der Enttäuschung und Frustration, wird laut und wütend und rennt zum Ausgang. Im Kindergarten kommt es oft vor, dass er gegen die Lehrperson oder andere Kinder aggressiv wird oder auch tobt, schreit und über den Boden rollt, wenn seine Bedürfnisse nicht gestillt werden. Seine Wut und Enttäuschung zeigt er teilweise danach in anderer Form, indem er sich zurückzieht und in seiner Traurigkeit und Selbstmitleid mit gesenktem Kopf verharrt.
Diese Verhaltensweisen zeigen verschiedene Formen und Ausprägungen von kindlichen Aggressionen und Frustrationen auf. Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass jedes aggressive Verhalten erlernt ist und somit auch wieder abgebaut werden kann. Aggressives Verhalten wird mehrfach gezeigt und beibehalten, wenn es für das Kind zum Erfolg führt. Dies kann sein, dass sein Bedürfnis gestillt wird oder ganz einfach weil es Aufmerksamkeit bekommt. Aggressives Verhalten wird auch durch Nachahmung aggressiver Vorbilder gelernt, wie beispielsweise durch die Medien. Einerseits durch gewaltverherrlichende Inhalte, anderseits auch durch die motorische Einengung und Überforderung der Sinnesorgane von übermässigen Fernsehkonsum.
Aus psychoanalytischer Sicht ist Aggression der Ausdruck einer Verunsicherung des Selbst. In Untersuchungen wurde weiter nachgewiesen, dass der Erziehungsstil der Eltern die Entstehung und Aufrechterhaltung aggressiven Verhaltens mitbedingt (z.B. Meesters & Muris 2002). Ein inkonsequenter aber auch autoritärer Erziehungsstil hat sich besonders ungünstig für die Entwicklung des Sozialverhaltens erwiesen.
Das Beispiel von Felix zeigt, wie zentral die Elternberatung und die Zusammenarbeit mit der Kindergärtnerin sind. Gemeinsam können wir Felix unterstützen, damit er ein neues Verhalten erlernen kann. Was ihn in diesem Lernprozess unterstützt und ihn in seiner Entwicklung und seinem Selbstwert fördert, werde ich im nächsten Artikel aufnehmen.
Mit freundlichen Grüßen | Karin Lutter | Dr. Frank & Partner Zürich