Frau Bucher leidet unter einer Depression und tut sich sehr schwer an kleinen Entscheidungen in ihrem Alltag. Soll ich heute den roten oder den blauen Pullover anziehen? Was koche ich heute zum Mittagessen? Was muss ich alles in meine Tasche packen, wenn ich heute zum Arzt gehe?

Wir sind seit über 20 Jahren am MarktFrau Bucher fällt auf, wie viele kleine Entscheidungen sie in gesundem Zustand fällt, ohne dass sie diese bewusst wahrnimmt.

Momentan wird ihre Entscheidungsfähigkeit überschattet von ihrer Selbstunsicherheit. Bei kleinen Tätigkeiten fühlt sie sich unsicher, ob sie die Durchführung bewältigen kann. Bei der Auswahl, welchen Weg sie wählen soll, erscheint jede Lösung negativ. Am Beispiel des Kochens könnte das so aussehen: Für Gemüse muss ich zu lange rüsten, Fleisch gelingt mir nicht gut und ausserdem ist es zu teuer, Teigwaren blähen meinen Bauch…Da jede Idee negativ bewertet wird, der Antrieb fehlt und die Selbstunsicherheit gross ist, beginnt Frau Bucher schon gar nicht mit kochen, sondern ernährt sich von dem was sie noch im Kühlschrank hat. Da sie keine Entscheidung getroffen hat, was sie kochen könnte, ist auch das Einkaufen schwierig und wird erst gemacht, wenn der Leidensdruck vom Hunger zu gross wird.

Für Frau Bucher ist es wichtig, dass sie Unterstützung von aussen bekommt, um die Entscheidung und Durchführung zu bewältigen. Die Therapeutin bietet Strukturierungshilfe oder Eingrenzung der Möglichkeiten auf beispielsweise zwei einfache Menüs und vereinfacht somit die Entscheidung. Alle Schritte, welche für Frau Bucher ein Hindernis darstellen werden von der Therapeutin erstmals begleitet oder vorbesprochen. Mit der Wiederholung einer Aktivität wird Frau Bucher immer mehr Selbständigkeit übergeben. Sich handelnd erleben und die Erfahrung, dass ich es ja trotzdem kann, wenn auch verlangsamt, gibt Selbstsicherheit zurück. Für Frau Bucher ist es entlastend zu hören, dass das in einer Depression normal ist und dies auch hirnbiologisch erklärbar ist. Wichtig ist auch zu sehen, dass die kleinen Entscheidungen nicht so relevant sind. Ob ich nun den roten oder blauen Pullover trage ist nicht entscheidend, wichtig ist dass ich einen trage. Wichtig ist, dass Frau Bucher einfach einen Schritt in eine Richtung macht und nicht am Ort stehen bleibt, weil alles so schwierig aussieht. Eine Möglichkeit zur Vereinfachung der Auswahl ist auch, dass man sich z.B. am Alphabet orientiert oder nach einem Kriterium wie z.B. das Billigere orientiert.

Mit freundlichen Grüßen | Karin Lutter | Dr. Frank & Partner Zürich

One Response to Depression – wenn die kleinste Entscheidung schwer fällt
  1. Ich stelle mir die Arbeit mit depressiven zwar sehr schwer, aber auch sehr interessant vor. Wichtig ist es bestimmt, sehr sensibel mit dem Menschen umzugehen.

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