Scheinbar mühelos erlernt ein Baby im Alter von 12 Monaten den Gang auf zwei Beinen. Doch was so einfach erscheint, ist ein äußerst komplexes Zusammenspiel von neuronalen Schaltkreisen zwischen Gehirn, Muskeln und Sensoren. Gene und externe Umweltreize steuern diesen Vorgang.
Im Alter von acht Wochen beginnt ein Ungeborenes mit einzelnen Bewegungen seiner Extremitäten und trainiert einzelne Körperbewegungen, soweit dies der Platz in der Gebärmutter zulässt. Nach der Geburt übernehmen nach und nach höhere Hirnregionen die Kontrolle über die Bewegungsabläufe. Es werden dabei die motorischen Schaltkreise im Rückenmark genutzt, die die Bewegungen überwiegend über Reflexe steuern. Jedes Kind wird mit dem sog. „Schreitrefelex“ geboren. Hält man das Baby über eine ebene Oberfläche, dass die Füße diese knapp berühren, vollführen die Beine automatisch Gehbewegungen.
Dieser Reflex verschwindet nach sechs bis acht Wochen, ist jedoch von großer Bedeutung für das spätere Gehen. Die Großhirnrinde des Kindes ist nun soweit gereift, dass sie die Bewegungskontrolle übernimmt und die Aktivierung der vom Hirnstamm gesteuerten Reflexe hemmt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Schreitreflex und das Strampeln auf den gleichen neuromuskulären Schaltkreisen basieren. Der Schreitreflex scheint jedoch, so vermuten die Wissenschaftler, zu verschwinden, weil die schwachen Muskeln das Beingewicht nicht mehr tragen können. Im Liegen aber ist der Reflex noch zu erkennen und lässt das Baby strampeln.
Ja man könnte sagen, das Kind trainiert bereits Beine und Gelenke, übt erst Gehbewegungen ein und erlaubt den höheren Gehirnzentren allmählich, die Steuerung der Beinbewegungen zu übernehmen. Mit den ersten Schritten ist allerdings nur das halbe Ziel erreicht, denn das etwas unbeholfene Trippeln eines einjährigen Kindes unterscheidet sich noch wesentlich von den hoch koordinierten und effizienten Bewegungen eines Erwachsenen. Der Körperschwerpunkt eines Babys liegt aufgrund des großen Kopfes und der kurzen Beine noch viel höher als beim Erwachsenen – daher droht das Baby immer wieder umzukippen. Es bewegt sich in kleinen Schritten und verzichtet noch auf die typischen Armschwünge. Aufgrund einer ständigen Wechselwirkung aus Wachstum, Reifung und vor allem Übung verschwinden mit der Zeit all diese Merkmale und es entwickelt sich ein koordiniertes Zusammenspiel der Extremitäten.
Doch was ist eigentlich alles notwendig, damit ein Mensch den aufrechten Gang beherrscht. Bei einer näheren Betrachtung wird deutlich, dass der mechanischen Effizienz des physiologischen Gangbildes verschiedene Teilbereiche zugrunde liegen:
Koordination: Das Kind lernt bereits durch das Krabbeln, die Bewegungen seiner Gliedmaßen aufeinander abzustimmen.
Gelenkdifferenzierung: Bei einem Schritt müssen die Gelenke unabhängig voneinander bewegt werden, wie z.B. die Knie- und Fußgelenke in unterschiedliche Richtungen
Haltungskontrolle: Muskelkraft, Sehnen und Knochen müssen stark genug sein, um den Körper gegen die Schwerkraft zutragen, Gleichgewicht, Haltung und Position müssen kontrolliert werden.
Visuelle Kontrolle: Der Sehsinn überwacht die Bewegungen ständig und passt die jeweilige Haltung entsprechend an
Tonuskontrolle: Es bedarf einer genauen Dosierung von der Spannung und Kraft der Muskeln, damit gerade die Beuge- und Streckmuskeln in einem ausbalanciertem Verhältnis zueinander stehen.
Eine wesentliche Vorrausetzung für die Schaffung von Erfahrungswerten bei aktiven Bewegungen, ist es ,dass die Kinder bei derartigen körperlichen Ertüchtigungen über ausreichend Motivation und Emotion verfügen. Das Kind muss also Spaß an Bewegungen haben, um sich bewegen zu wollen.