„Sind wir alle zu weich?“ Lautete ein Artikel in der Onlineausgabe des PM-Magazins. Der Autor beschreibt mit vielen Beispielen den Trend unserer heutigen Gesellschaft, in jeder Lebenslage die Harmoniebedürftigkeit in den Vordergrund zu stellen. Ein hartes und starkes Auftreten sind eher Attribute, die bei Kollegen weniger positiv ankommen. In Konflikten zählt nicht mehr das Durchsetzungsvermögen, sondern die Kompromissfähigkeit mit dem großen Wunsch, dass die Beteiligten eine möglichst zufriedenstellende Lösung für alle Seiten finden.
Sowohl Arbeitgebern, als auch Arbeitnehmern erschwert eine solche Einstellung häufig einen klaren und strukturierten Arbeitsablauf. Rücksichtnahme steht vor wirtschaftlichem Denken.
Nach dem Lesen des Artikels kam mir in den Sinn, dass ich das Phänomen auch im Erziehungsverhalten von Eltern beobachten konnte. Im Laufe meiner langjährigen Tätigkeit erkenne ich immer häufiger eher ein antrainiertem Fehlverhalten aufgrund mangelnder Konsequenz, als Diagnosen wie AD(H)S, Wahrnehmungsstörung, Verhaltensstörung oder Konzentrationsschwäche.
Ich machte mir viele Gedanken und erkenne nicht nur bei Eltern die Einstellung, möglichst sanft, individuell und kreativ mit Regelverstößen umzugehen (natürlich ist auch ein über-dominanter, autoritären Erziehungsstil nicht das gelbe vom Ei). Beobachte ich Erzieher, Kinderpfleger und auch Lehrer so sehe ich Ähnliches. Den Kindern wird sehr früh vermittelt, dass Konflikte in Ruhe gelöst werden müssen, dass nur Kompromisse der richtige Weg ist. Ein Streit ist stark negativ geprägt ebenso wie Schubsen, Schreien… Natürlich ist es eine Notwendigkeit der Pädagogen, solche Grundsätze zu vermitteln, ein Kind von 5 Jahren wird diese jedoch niemals zu hundert Prozent ausführen können. Schließlich ist die kognitive und emotionale Reife dafür noch nicht vollständig entwickelt. Wie Pädagogen damit umgehen, ist jedoch verwunderlich. Es erfolgen sehr schnell Aussagen über das Kind wie: „es ist nicht gut erzogen“, „mit dem stimmt doch was nicht“, „vielleicht ist er bei uns nicht in der richtigen Einrichtung“.
Man sieht, selbst im Kindergarten wird das Harmoniebedürfnis zum Problem – Sowohl von Erwachsenen, als auch von den zu erziehenden Kindern.
Warum darf man als Kind nicht mehr zurück schubsen? Warum darf ein Fünfjähriger seine Meinung nicht einmal herausschreien? Warum dürfen kindliche Impulse nicht mal ausgelebt werden? Was daraus erfolgt, lässt sich nur spekulativ erahnen.
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