Zwangserkrankungen oder Zwangsstörungen gehören zu den psychischen Störungsbildern. Dabei kann es sich um harmlose und meist vorübergehende „Angewohnheiten“ bis hin zu krankhaften andauernden Denk-und Verhaltensweisen kommen. Jeder Gedanke und jedes Thema kann Inhalt eines Zwangs werden. Häufig versuchen die Betroffenen sehr lange mit ihrer Problematik ohne externe Unterstützung zurechtzukommen, da sie sich zum einen darüber bewusst sind, dass ihre Symptomatik nur wenig Sinn aufweist. Auf der anderen Seite ist in der Gesellschaft nur wenig darüber bekannt, wodurch nur wenig Verständnis und Rücksicht dem Betroffenen gegenüber entgegengebracht wird. Zwangserkrankungen können in fast alle Lebensbereiche eingreifen.

Durch Zwangsverhalten wird für die Betroffenen seine Angst reduziert.

Hier wird in „Zwangsgedanken“ sowie „Zwangshandlungen“ unterschieden. Kapfhammer (2000, S. 1234) unterscheidet hierbei zum einen in Zwangsvorstellungen, welche er in zwanghaftes Zweifeln, Zwangsbilder, Zwangsimpulse und Zwangsbefürchtungen einteilt. Das „zwanghafte Zweifeln“, stellt hier ein Gefühl dar, bestimmte Handlungen nicht adäquat ausgeführt zu haben. Das „zwanghafte Denken“ bezieht sich auf Gedankenschleifen hinsichtlich der Zukunft. Hierbei wird verhindert, dass der Betroffene sich der realen Zukunft stellen kann. Bei den „Zwangsbildern“ werden Katastrophenvorstellungen visualisiert. Zwangsimpulse beschreibt Kapfhammer(2000, S. 1234) als „Drang zum Vollzug einer Handlung, die trivial, sozial beschämend, störend oder bedrohlich sein kann“. Als Zwangsbefürchtungen wird eine unbestimmte Angst vor Kontrollverlust beschrieben.

Zu den Zwangshandlungen gehören u.a. der Waschzwang oder Putzzwang, der Zwang bestimmte Sachen berühren zu müssen, Kontrollzwang sowie Ordnungszwang etc.

Kapfhammer (2000, S. 1235) unterteilt die Zwangserkrankungen inhaltlich in verschiedene Kategorien: Schmutz/Kontamination, Aggression, Sexualität, Religion, unbelebt-immateriell.

Die häufigsten und in der Gesellschaft am bekanntesten sind der Wasch- und Kontrollzwang. Der Betroffene mit einem Putz- oder Waschzwang denkt innerhalb seines täglichen Lebens ausschließlich an das Putzen oder Waschen. Er hat enorme Angst gegenüber Schmutz und Bakterien. Das Waschen und Putzen wird dabei ritualisiert und läuft ständig nach den gleichen Mustern ab. Dafür muss der Betroffen sehr viel Energie und Zeit aufwenden. Der Betroffene hat einen sehr hohen Leidensdruck, da er sein Verhalten selbst als sinnlos und unbeeinflussbar ansieht. Dadurch wird die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Das Resultat dessen kann sein, dass derjenige keinen Besuch auf Grund von Verschmutzungsmöglichkeiten mehr empfängt, oder dass dieser nicht mehr in der Lage ist, anderen Menschen die Hand zu geben, aus Angst vor möglichen Bakterien. Hinzukommend versuchen die Betroffenen ihr Verhalten nicht öffentlich zu machen, wodurch es dann zu sozialer Isolation kommen kann. Durch die Angst durch das Berühren von Gegenständen oder Personen verunreinigt oder verseucht zu werden, führt zu stundenlanges Waschen oder Duschen oder zum ständigen sterilisieren und desinfizieren der Umgebung. Des Weiteren verspüren die Betroffenen nur eine kurzzeitige Befriedigung.

Außerdem erreichen sie durch das ständige Waschen einen gegenteiligen Effekt. Die Säureschutzschicht der Haut wird dadurch zerstört und es kommt zu Rötungen, Entzündungen und schuppender Haut. Krankheitserreger können somit schneller in die Haut eindringen.

Bei Kontrollzwängen muss der Betroffene alles mehrfach überprüfen, beispielsweise ob der Herd ausgeschaltet ist, die Tür verschlossen wurde, ob das Bügeleisen noch in Betrieb ist oder sie beim Autofahren einen Unfall verursacht haben. Oftmals vertraut der Betroffene nicht mehr seiner eigenen Wahrnehmung. Es stellt sich dahingehend nicht das Gefühl ein, dass alles in Ordnung ist, obwohl sie alles mehrfach kontrolliert haben. Diese Kontrollen können viele Stunden in Anspruch nehmen, wodurch u.a. Termine nicht rechtzeitig wahrgenommen werden.

Der Betroffene benötigt eine multimodele Therapie. Die Therapie beinhaltet verhaltenstherapeutische Methoden, Expositionstraining (Habituationstraining), kognitive Strategien und je nach Chronifizierung und Intensität erfolgt eine medikamentöse Einstellung.

Der alleinige Versuch mit einsichtigem Verhalten und eigenem Willen Zwangsgedanken und ‑handlungen bewusst zu unterdrücken, können zu einer Verstärkung der Symptomatik führen. Für die therapeutische Intervention ist eine ausführliche Anamnese notwendig, da es von zentraler Bedeutung ist, herauszufinden wie die Erkrankung entstanden ist und wodurch diese aufrechterhalten wird.

Wie bereits erwähnt ist das Habituations- bzw. das Expositionstraining ein Bestandteil der Intervention. Hierbei wird der Patient dazu bestärkt, sich freiwillig in eine Situation zu begeben, in der mit großer Wahrscheinlichkeit die Symptomatik auftritt. Der Patient wird innerhalb der Situation unterstützt, Vermeidungs- und Neutralisierungsverhalten zu unterlassen. Dadurch soll der Betroffene erkennen, dass die Ängste und Anspannungen auch ohne dieses Verhalten nachlassen können. Man kann diesen Prozess auch als das „Verlernen“ bezeichnen. Der Betroffene soll sich somit an die gefürchteten Gedanken gewöhnen, wodurch diese dann an Wichtigkeit verlieren. Das soll zu einer Veränderung in der Wahrnehmung und Bewertung der auslösenden Situation und der eigenen Handlungskompetenzen führen. Dadurch sollen sich neue Verhaltensmuster aufbauen. Dieser Prozess ist z. B. vergleichbar damit, wenn jemand an einer viel befahrenen Straße lebt. Dieser wird den Geräuschpegel nach einem gewissen Zeitraum nicht mehr wahrnehmen, wohingegen ein Besucher diesen als extrem störend wahrnimmt.

Begleitend werden hierbei kognitive Strategien entwickelt. Das Ziel ist es hierbei, bedrohliche Gedanken als Teil des täglichen „Gedankenstroms“ anzuerkennen. Die relevante Bedeutung soll reduziert werden. Bei Personen ohne Zwangserkrankungen kommt es ebenfalls zu diffusen Gedanken, welche aber keine Bedeutung beigemessen wird. Im Gegensatz dazu werden bei den Betroffenen diese Gedanken strenger bewertet und somit geht ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl für diese Gedanken einher. Innerhalb der Interventionen sollen Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernt werden, belastende Situationen zu bewältigen, Gedanken realistisch einzuschätzen und es sollen Alternativen gefunden werden, um Belastungsfaktoren zu reduzieren.

Mit freundlichen Grüßen | Anja Willmann | Dr. Frank & Partner Berlin