Für soziale Unsicherheiten gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Diese werden in biologische, psychische und soziale Faktoren unterteilt. Zu den biologischen Faktoren zählen genetische Aspekte sowie Verhaltenshemmung als frühes und stabiles Temperamentsmerkmal. In der Virginia-Twin-Studie (Topolskki et al. 1997) wurden die genetischen Einflüsse bezüglich der Trennungsangst und Überängstlichkeit untersucht. Hier zeigte sich, dass es bei der Trennungsangst keine genetischen Faktoren mitwirken jedoch bei der Überängstlichkeit (Erblichkeitseinschätzung: 37%). Die Verhaltenshemmung als frühes und stabiles Temperamentsmerkmal äußert sich in Auffälligkeiten wie ein stark erhöhtes sympathisches Erregungsniveau und einem Rückzugsverhalten (vgl. Petermann et al. , 2002b).
Das zeichnet sich durch das Vermeiden der Kontaktaufnahme zu unbekannten Personen sowie das Unterbrechen bestehender Aktivitäten aus. In einer Längsschnittstudie von Gest (1997) konnte auf Grund des Ausmaßes der Verhaltenshemmung im Alter von acht bis 12 Jahren Auffälligkeiten im Alter zwischen 17-24 vorhergesagt werden. Die Betroffenen haben nur ein wenig positives und aktives Sozialverhalten. Das Elternhaus wird erst sehr spät verlassen. Außerdem zeigt sich bei Männern eine höhere negative Affektivität.
Bei den psychischen Faktoren handelt es sich um emotionale und kognitive Gesichtspunkte. Das wird auch soziales Lernen genannt.
Hierzu gehören Konditionierungsprozesse wie die klassische Konditionierung, die mangelnde positive Verstärkung sowie der Verstärkerentzug und die Bestrafung. Bei der mangelnden positiven Verstärkung kann die Selbstverständlichkeit von sozial kompetenten Verhalten in häufigen Alltagssituationen ursächlich sein. Das heißt, dass durch die Erwartungshaltung des Gegenübers das adäquate Verhalten nicht erkannt wird bzw. die Bemühungen für ein angemessenes Verhalten nicht verstärkt werden, um sich so ein differenziertes Verhaltensrepertoire aufbauen zu können.
Wichtig im Bereich des sozialen Lernens ist ebenfalls das Lernen am Modell. Erlebt das Kind sozial unsicheres Verhalten bei den Bezugspersonen kann es dadurch zu Nachahmung des Verhaltens durch das Kind kommen.
Jedes Kind benötigt viele Gelegenheiten zum sozialen Lernen. Das bedeutet, wenn ein Kind durch seine Bezugspersonen zu viel Unterstützung erfährt oder ihm alles abgenommen wird, kann es keine Problemlösungsstrategien entwickeln, welche zur sozialen Interaktion benötigt wird.
Eine weitere bedeutende Rolle zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Unsicherheit und sozialer Angst sind kognitive Faktoren. Dazu gehören die Wahrnehmung und soziale Informationsverarbeitung, welche meist verzerrt sind, ungünstige Kausalattributionen, wobei schlechte oder negative Erfahrungen auf die eigene Unfähigkeit bezogen werden, negative soziale Erwartungen sowie irrationale Gedanken, welche aus Unter- oder Übertreibungen bestehen.
Zu den sozialen Faktoren zählen die elterliche Vorbildwirkung, der Umgang mit nicht eindeutigen Situationen, wenig akzeptierende Familieninteraktion, wobei hierbei die Kinder ein Übermaß an Fürsorge durch ihre Erziehungsberechtigten erfahren und diese als belastend und einschränkend erfahren.