Die Händigkeit beschreibt das Phänomen, dass Menschen insbesondere für feinmotorische Tätigkeiten konsequent dieselbe Hand benutzen, die dominante Hand. Der grösste Teil der Menschheit bevorzugt dabei ihre rechte Hand. Etwa 10% der Menschheit, darunter mehr Männer als Frauen, bevorzugen aber ihre linke Hand. Die Händigkeit wird von zwei Dimensionen definiert: Handpräferenz und Handleistung. Die Handpräferenz beschreibt, wie oft eine Hand bei einer Tätigkeit benutzt wird, also die Quantität. Die Handpräferenz wird vorwiegend einer genetischen Grundlage zugeschrieben, da sie ungeschult ist. Die Handleistung hingegen ist überwiegend durch Umwelt und Übung bedingt und beinhaltet das Leistungsniveau der bevorzugten Hand bei Tätigkeiten, die Genauigkeit und/oder Geschwindigkeit beinhalten, also die Qualität.

Ein grosses Teil der Händigkeit wird also durch die Umwelt bedingt. Vor allem durch Nachahmungsprozesse. Daher kann es vorkommen, dass Kinder und später Erwachsene viele Tätigkeiten mit der eigentlich nicht dominanten Hand ausführen, weil dies so erlernt wurde.

Doch was kann dies für Folgen mit sich bringen?

Dabei muss zuerst beachtet werden, dass es verschiedene Arten von Tätigkeiten gibt. Zum einen gibt es Tätigkeiten, die relativ anspruchslos und automatisch ablaufen, zum anderen gibt es sehr anspruchsvolle Tätigkeiten die ein hohes Mass an intellektuellen Anforderungen und Aufmerksamkeit benötigen. Bei automatisierten Tätigkeiten ist es meist nicht sehr entscheidend, ob diese mit der dominanten Hand oder der nicht dominanten Hand durchgeführt werden.

Steht aber eine Tätigkeit, wie beispielsweise das Schreiben mit vielen anderen gleichzeitig durchgeführten Aktivitäten eines Menschen in Verbindung, so kommt es bei vielen Betroffenen zu Störungen, die sich oft in bleibende Umschulungsfolgen umsetzen. Denn Schreiben ist ein höchst komplexer Vorgang. Es ist nicht nur die Hand, die die nach aussen sichtbaren Buchstaben und Worte formt, sondern im Gehirn laufen gleichzeitig verschiedenste, direkt mit dem Schreibvorgang verbundene Vorgänge ab. Wie Überlegungen über Orthografie und Grammatik, Inhaltliche Überlegungen zum schreibenden Text und emotionale Beteiligung zu dem Geschriebenen.

Sehr viele Aspekte des Gehirns sind also in diesem Prozess aktiviert. Wenn ein Kind mit seiner nicht dominanten Hand schreibt, ist es nachvollziehbar, dass sich daraus Konsequenzen und Komplikationen ergeben können. Denn es wird angenommen, dass die Handpräferenz einer genetischen Ursache zugrunde liegt. Somit würde eine Person, die mit der nicht dominanten Hand schreibt, also gegen seine Genetik/Gehirnstruktur arbeiten. Nach Sattler kann eine Umschulung unter anderem Lernschwierigkeiten, fein- und grobmotorische Probleme oder Konzentrationsschwierigkeiten mit sich bringen.

Wann macht nun eine Rückschulung auf die dominante Hand Sinn?

Es gibt viele Fallbeispiele die aufzeigen, dass bei einer Rückschulung umgeschulter Linkshänder die Umschulungsfolgen teilweise bis ganz rückgängig gemacht werden können, auch noch im Erwachsenenalter. Umgekehrt gibt es zahlreiche Fallbeispiele, bei denen eine Rückschulung die vorhandenen Umschulungsfolgen verstärkt hat oder sogar neue hervorgebracht hat. Es ist aber keinesfalls so, dass eine Rückschulung unbedingt die Lösung für alle umgeschulten Linkshänder ist. In jedem Fall müssen für eine Rückschulung unbedingt folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • die Motivation und der Wille für eine Rückschulung
  • die volle Unterstützung des sozialen Umfeldes sowie eine enge Zusammenarbeit mit der Ergotherapeutin
  • durchschnittliche oder überdurchschnittliche Leistung der linken Hand (zumindest im Vergleich zur rechten Hand)
  • eine relativ stressfreie Zeit von mindestens acht Wochen, in der wenig geschrieben werden muss
  • regelmäßige Ergotherapie mit Follow-up nach den Therapieeinheiten.

Die Umschulung soll vor allem für Tätigkeiten wie das Schreiben erfolgen. Empfindet die Person es als angenehmer, gewisse automatische Tätigkeiten mit der nicht dominanten Hand auszuführen, sollte dies auch dabei belassen werden. Bei der Umschulung gilt im Allgemeinen, individuell auf die Schwierigkeiten und Symptome der Person einzugehen und sie individuell zu begleiten. Denn die Umschulung erfordert eine Neuorganisation im Gehirn, was auch zu Überbelastung führen kann. Im Vorhinein kann nicht abgeschätzt werden, wie jemand auf eine Rückschulung reagiert. Hier gilt es also, sich vorsichtig und schrittweise vorzutasten.

Mit freundlichen Grüßen | Natalie Scheuermeier | Dr. Frank & Partner Zürich

Quelle: Prof. Dr. Kraus, Elke (2009). Diagnostik und Therapie. Händigkeit bei Kindern. Ergopraxis 7-8/08 und 1/09

Dr. Sattler, Johanna. Chancen und Gefahren einer Rückschulung der Händigkeit bei Erwachsenen. Retrieved from

http://www.lefthander-consulting.org/deutsch/RueckschulungArt.htm